Kamerataschen – ein subjektiver Vergleich


Mit der Fotografie verhält es sich wie mit High Fidelity: Die Ausrüstung ist nie komplett und nie perfekt. Vergoldete Stecker, sauerstoffarme Kabel und Lautsprecher zum Preis eines Kleinwagens – entsprechende Pendants im Foto-Zubehör existieren. Ist das alles außer Reichweite, sind es die kleinen Dinge, in denen man Verbesserung sucht – z.B. Taschen. Kamerataschen, um genau zu sein.

Und so habe ich mich, unterstützt durch die verbraucherfreundlichen Regeln des Versandhandels, mal hingesetzt und einige Probanden einem höchst subjektiven und in jeder Hinsicht ungerechtem Vergleich unterzogen.

Das Problem

Meine Geschichte startet im Jahr 2010. Passend zur Einsteiger-Kamera beginnt sie mit einer Einsteiger-Tasche, der Canon 100EG. Später, als der Objektivpark größer und das Zubehör zahlreicher ist, wird auf einen Rucksack umgesattelt, den 102 AW SlingShot von Lowepro. Das Sling-Konzept überzeugt zunächst, doch die Anordnung der Trennstege verhindert ein Entnehmen der Objektive analog zur Kamera. Dazu ist die vollständige Öffnung des Rucksacks notwendig – während dieser gleich einem Bauchladen vor dem Körper baumelt.

Die Alternative

Also soll wieder eine Schultertasche her. Klein und unauffällig sollte sie sein. Aber groß genug, um meine überschaubare Ausrüstung vollständig aufzunehmen. Pfiffig, optisch einigermassen ansprechend und natürlich funktional. Aber nicht wie eine Laptop-Tasche, eben nach meinem Geschmack. Maximaler Preis: 100 Euro.

In den Ring steigen letztlich die folgenden Kandidaten:

Die Kandidaten
Die Kandidaten

Die Herausforderung

Auch nach zwei Jahren ist meine Ausrüstung immer noch überschaubar. Versuche, das eigene Können durch ein mehr an Zubehör zu steigern sind kläglich gescheitert. Also wurde konsolidiert.

Der Test-Parcours
Der Test-Parcours

An der Canon 1000D sitzt das Canon EF-S 15-85/f3.5-5.6 IS USM als Immerdrauf. Festbrennweiten werden durch das EF 50/f1.8 II repräsentiert. Und vor kurzem wurde das bis dato unbekannte Terrain Blitzen mit dem Canon Speedlight 430 EX II betreten (hinten, in eigener Tasche). Der Rest ist Nippes: Blitz-Akkus, Kabel, Handbücher, Lenspen und Polfilter. Mangels Zweit-Akku ist auch das Ladegerät immer dabei.

Insgesamt sehr überschaubar, also leichtes Spiel für meine Probanden.

Der Vergleich

Crumpler Muffin Top 7500 und Cupcake 7500

Das Crumpler-Duo
Crumpler Muffin Top 7500 und Cupcake 7500

Fototaschen von Crumpler kamen mir als erstes in den Sinn. Ich nutze andere Produkte dieser Firma z.B. als Laptop- oder Freizeittaschen und bin damit sehr zufrieden.

Der Stil gefällt mir, der Tragekomfort ist hoch und die Einteilung funktional. Dem Preis von rund 90 Euro (Muffin Top) bzw. 70 Euro (Cupcake) steht strapazierfähiges Material und eine gute Verarbeitung entgegen.

Die Modelle Cupcake 7500 (links im Bild) und Muffin Top 7500 sind praktisch identisch. Größe, Form und der Flexibilität der Stege sind faktisch gleich. Die Unterschiede liegen im Detail: So ist die Cupcake etwas mehr Kameratasche, da nur sie Netzeinsätze hat. Außerdem trägt die Muffin Top das Crumpler-Logo auf dem Schulterpolster, die Cupcake nicht.

Crumpler Muffin Top 7500
Crumpler Muffin Top 7500

Beide Varianten sind groß genug für meine Ausrüstung. Allerdings herrscht ein gewisses Gedränge. Die Taschen sind sehr schmal, so daß der eigentlich sehr kleine Kamera-Body der 1000D nur quer zur Längsachse eingelegt werden kann.

Entsprechend sind beide Modelle sehr bauchig und stehen deutlich vom Körper ab.

Der Innenraum ist gepolstert und ausgekleidert mit weichem Futter, auf welchem Klettverschlüsse guten Halt finden. Die Stege können völlig frei plaziert werden. Die einzelnen Lagen des Futters sind allerdings nicht mit dem Rest der Tasche verklebt bzw. vernäht und werfen Beulen. Objektiv und Kamera – gerade mit verkehrt aufgesetzter Streulichtblende – verfangen sich daher leicht, was eine schnelle Entnahme behindert.

Kalahari K-35

Die Kalahari K-35 kommt in einem ungewöhnlichem Material daher (Canvas). Soll wohl Leinen sein, sieht aber ein bisschen nach Wolle aus, nur fester. Nicht uninteressant, ich mache mir aber Sorgen um die Regenfestigkeit. Mit einem Preis von knapp 90 Euro kratzt sie an der Obergrenze meiner Auswahl-Kriterien.

Eine weitere Besonderheit ist der umlaufende Reißverschluss. In geschlossenem Zustand ist die Tasche schön schmal und liegt eng am Körper an. Geöffnet kann die Tasche deutlich mehr aufnehmen, wird dann aber auch dicker.

Ebenso erwähnenswert ist das Innenleben: Ein herausnehmbarer Einsatz für das Foto-Equipment mit geradem Boden erlaubt das bequeme Einpacken auch außerhalb der Tasche. Es ist ein alternativer Einsatz erhältlich, welcher – bei geöffnetem Reißverschluss – den Innenraum von 10 auf 17cm in der Tiefe streckt.

Dazu gibt es eine Art Mappe für Laptops, welche zwischen Rückseite der Tasche und Foto-Einsatz geschoben wird. An den Falten meiner fabrikneuen Version kann man erkennen, daß bei gleichzeitiger Verwendung beider Einsätze mit Nachdruck gearbeitet werden muß. Andererseits glaube ich, daß die Laptop-Tasche auch einfach weggelassen werden kann, die Geräte sind durch Rückwand und Innentasche ausreichend gepolstert.

Der Inneneinsatz ist gefüllt mit Dutzenden kleinen, stabilen Stegen, die frei platziert werden können. Für jeden Anwendungsfall sollte sich ein entsprechendes Setup finden lassen. Nach meinem Empfinden geben die Stege der Innentasche ihre Stabilität. Eine gewisse Mindestanzahl sollte man nicht unterschreiten.

Die Kalahari ist ausreichend dimensioniert, um auch größere Kameras aufzunehmen. Fächer für Kleinkram sind im Überfluß vorhanden. Der Schultergurt lässt sich über einen Karabiner zur Handschlaufe kürzen. Für meinen Anwendungsfall und mein Zeug allerdings ist die Kalahari K-35 überdimensioniert.

Manfrotto Stile Kollektion Unica 5

Die Manfrotto Stile Kollektion Unica 5 zum Preis von gut 70 Euro macht mit einem durchdachten Detail auf sich aufmerksam: In den Taschen-Deckel ist ein Reißverschluss eingenäht, welcher das Öffen der geschlossenen Tasche von oben erlaubt.

Somit ist ein schneller Zugriff auf die Kamera und anderes Material möglich. Durch den mandelförmigen Verlauf der Öffnung sollten die dicken Objektive allerdings nicht allzuweit aussen sitzen. Dennoch – eine Erleichterung ist es allemal.

Weiterhin erwähnenswert: Die Unterseite der Tasche lässt sich per Reißverschluss autonom vom Innenteil öffnen. Hier könnte z.B. ein kleines Reisestativ Platz finden. Interessanterweise habe ich sogar eins von Manfrotto, ein kleines weißes MKC3-PF. Das passt aber nicht, es fehlt ca. 1cm in der Länge.

Auf den Produktseiten von Manfrotto und von Amazon sieht Unica 5 echt schick aus. Aus schwarzem Nylon, leicht glänzend, dezentes Logo und gefälligen Proportionen. In den heimischen vier Wänden stellt man dann fest, daß die Tasche wirklich schick ist – aber echt groß.

Ich bin überzeugt, daß in der Unica 5 für jedes Ding der richtige Platz existiert. Ähnlich der Kalahari finden sich unzählige Täschchen, Fächer und Netze auch in der Manfrotto. Und das ist wohlgemerkt kein Mangel, für manchen sogar ein Muß. Nur – meine kleine 1000D finde ich in einer Tasche dieser Größe kaum wieder. Es dürften sich groteske Situationen ähnlich der Suche nach dem Autoschlüssen in der Damenhandtasche ergeben.

Tamrac Rally 6 Messenger


Die Tamrac Rally 6 Messenger Tasche kommt recht unauffälig daher. Auf den ersten Blick nicht unbedingt als Kameratasche erkennbar, werden geschulte Diebesaugen sicher aufgrund des Logos den Inhalt erschliessen können.

Der Easy Squeeze genannte Verschluß aus Plastik wird dem filigranen Langfinger auch nicht wirklich Widerstand bieten können. Höchstens der relativ niedrige Preis von rund 40 Euro sorgt für etwas Sicherheit, vermutet man doch kaum etwas von Wert in solch einer billigen Verpackung.

Doch die Verarbeitung der Tamrac-Tasche ist ohne Makel. Die Nähte sind dicht, das Schulterpolster ist ausreichend dick und ein zusätzlicher Handgriff erleichtert den Transport abseits der eigenen Schulter.

Neben den Hauptfach gibt es eine Vordertasche mit zwei Fächern und Stifthaltern, zwei Seitentaschen für Objektivdeckel oder ’nen Fünferpack Bi-Fi und ein Rückenfach für Anleitungen oder einen kleinen Tablet-PC. Langweilig, aber funktional.

Das Innenleben des Hauptfachs jedoch hat es in sich. Zunächst erscheint es als Einschränkung, daß die Trennstege keinen vollständigen Klettverschluss bieten, sondern nur Klettbänder in der Größe eines Kaugummi-Streifens (Wrigley’s Spearmint, nicht Hubba Bubba). Gleiches gilt für die Außenseiten der Innentasche, welche lediglich zwei umlaufende Klettbänder gleicher Breite bieten.

Doch schnell wandelt sich dieser Mangel an Flexibilität in einen Vorteil: Durch die Kürze der Klettverschlüsse können z.B waagerechte Stege ohne großen Kraftaufwand geöffnet werden. So verschwindet z.B. der Polfilter im Fach unter dem EF 50. Auf der anderen Seite lagern die Ersatz-Akkus unter dem Blitz. Beides sauber voneinander getrennt und doch schnell im Zugriff. Auch unter der Kamera mit angesetztem Objektiv ist noch Platz, z.B. für das Ladegerät (oder später mal Ersatzakkus).

Die glatten Wände der Tamrac mit den wenigen Klettfeldern bieten außerdem der Streulichtblende keinen nennenswerten Widerstand. Kamera und Objektive flutschen geradezu in und aus der Tasche. Quasi im Vorbeigehen kann man die Tasche öffnen und die Kamera mitnehmen.

Obwohl die Tamrac Rally 6 Messenger recht schmal und wenig bauchig daher kommt, findet meine aktuelle Ausrüstung vollständig, ja geradezu locker in ihr Platz. Es ist sogar noch Luft nach oben, vielleicht für ein EF 50/f1.4 USM oder eine größere Kamera.

Das Fazit

Jede der hier verglichenen Taschen hat ihre spezifischen Eigenarten:

  • die Crumpler-Taschen sind flexibel, kompakt, robust und einfach trendy
  • die Manfrotto Unica 5 ist groß, wertig und sieht schick aus
  • gleiches gilt für die Kalahari K-35, welche am wenigsten nach Fototasche aussieht
  • die Tamrac Rally 6 ist günstig, schlicht und funktional

Die Besonderheiten, welche je nach Anwendungsfall als Vor- oder Nachteil ausgelegt werden können, sind nur subjektiv zu vergleichen. Ausgehend von meinem Setup und meinen Kriterien ergibt sich für mich folgendes Fazit:

  • die Crumpler Cupcake 7500 war mein Favorit, aber das hakelige Futter und die bauchige Form machen sie unattraktiv. Die Muffin Top 7500 unterscheidet sich nur marginal, so daß auch sie ausscheidet.
  • die Kalahari K-35 und die Manfrotto Stile Kollektion Unica 5 sind mir beide zu groß. Meine überschaubare Ausrüstung geht darin verloren. Und das ausgerechnet mein Mini-Manfrotto-Stativ nicht in die Manfrotto-Tasche passt, ist fast schon Ironie.
  • die Tamrac Rally 6 Messenger zu einem sehr attraktiven Preis stellt – für mich – einen unemotionalen Kompromiss zwischen Form und Funktion dar.

Letztendlich wird also die Tamrac meinen Lowepro Rucksack beerben. Für rund 40 Euro kann man nicht viel verkehrt machen. Und wenn doch, dann war es eben Lehrgeld. Digitale Fotografie ist leider kein günstiges Hobby …


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